Meisterwerk & Massenware

Eine Leistungsschau, die Bekanntes und Unbekanntes aus der Geschichte Nürnbergs anschaulich präsentiert

Fragt man auf der Straße, „Entschuldigen Sie, was verstehen Sie unter Nürnberger Witz?“, dann werden viele Geschichten erzählt. Geschichten von Einfallsreichtum, Erfindergeist und der sprichwörtlichen Nürnberger Gewitztheit:

Dürer Rebranding

„Hätt´ ich Venedigs Macht und Augsburgs Pracht, Nürnberger Witz, Straßburger Geschütz und Ulmer Geld, so wär ich der Reichste in der Welt.“

Der wirtschaftliche Erfolg Nürnbergs hat eine solide Basis: eine zentrale Lage innerhalb des europäischen Verkehrsnetzes und eine Konzentration kluger Köpfe. „Nürnberger Witz“ ist die kürzeste Charakterisierung einer Fähigkeit, gute Ideen zu Markterfolgen zu entwickeln. Durch diese Gewitztheit entstanden sowohl einzigartige Meisterwerke als auch erfolgreiche Massenware. Unsere Ausstellung präsentiert Bekanntes und Unbekanntes aus der Geschichte Nürnbergs, unerwartete Kontraste, erstaunliche Informationen und sinnliche Erfahrungen.

Kupferstich und Kartografie, der Bronzeguss, wissenschaftliche Instrumente, kunstvolles Prunkgeschirr, Waffen- und Rüstungsfertigung – dies sind Felder, auf denen Nürnberg in der Zeit des 15. bis 17. Jahrhunderts seine Stärken hatte. Die industrielle Produktion von Schreibgeräten, der Versandhauskatalog, ein Designwettbewerb, das Einweg-Taschentuch stehen für die Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts. Und die Entwicklung hin zur Dienstleistungsmetropole des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts vertritt das Versicherungswesen. Die einzige Kontinuität über die Jahrhunderte existiert im stetigen Wandel, in der Anpassung an sich entwickelnde wirtschaftliche, kulturelle und soziale Bedingungen.

Mit unserer Ausstellung wollen wir einzigartige Blicke auf herausragende Objekte und ihre Erfinder aus der Wirtschaftsgeschichte dieser Stadt werfen. Am Ende wird eines klar: Der Rohstoff für eine erfolgreiche Entwicklung liegt in uns selbst. In den Köpfen der Menschen, die sich den Herausforderungen durch die Entwicklung neuer handwerklicher Techniken, industrieller Verfahren, künstlerischer Sichtweisen sowie innovativer Dienstleistungen stellen.

Mehr als eine Ausstellung

Die Ausstellung will mehr sein: Sie möchte den „Nürnberger Witz“ zum Stadtgespräch machen. So ist die neue Website www.nuernbergerwitz.eu als Plattform zu verstehen, die nach dem Ende der Ausstellung bestehen bleibt. Das Phänomen „Nürnberger Witz“ ist ein Thema, mit dem sich die museen der stadt nürnberg weiterhin beschäftigen werden. So ist auch unsere Aktivität im Merchandising zu verstehen: Natürlich gibt’s eine Basecap und ein T-Shirt. Und pünktlich zur Herbstzeit wird ein Windlicht aus feinstem Porzellan mit der Stadtansicht Nürnbergs produziert. Besonders innovativ ist der Lebkuchen, den Sie auch nachts finden können – ein nächster Besuch im Stadtmuseum Fembohaus und auf unserer Website lohnt sich!

Die Meisterwerke

„Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg.“ Diesen Slogan kennt heute jeder zweite Bundesbürger. Am 28. September 1884 – fast genau vor 125 Jahren – erhielt die NÜRNBERGER die Genehmigung für den Geschäftsbetrieb. Gründer war der Bleistift-Fabrikant Lothar Freiherr von Faber. Aus sozialer Verantwortung heraus hatte er eine Altersvorsorge für seine Mitarbeiter ins Leben gerufen und wollte nun den Versicherungsgedanken weiteren Kreisen zugänglich machen. Heute gehört der Qualitätsversicherer zur Spitzengruppe der deutschen Versicherungswirtschaft. Sicherheit für alle – dies ist für uns heute selbstverständlich.

Im 18. Jahrhundert beherrschte der Verlag Homann die Kartenproduktion in Deutschland: J.B. Homann gründete 1702 das Unternehmen. Die Karten wurden in Kupfer gestochen und meist koloriert. In der fast 150-jährigen Verlagsgeschichte entstanden etwa 1000 Kupferstichplatten und 3 bis 5 Millionen Landkarten, viele Atlanten, darunter der erste Schulatlas Deutschlands, sowie Globen Lange Zeit war Nürnberg das Zentrum der Kartografie in Deutschland.

Die Erfindung des Holzschnitts um 1400 ist eine echte Medienrevolution – vergleichbar nur mit der Erfindung des Buchdrucks und der Computertechnologie. Jetzt war es möglich, Bilder seriell herzustellen und zu verbreiten. Im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts verfeinerte sich die Technik. Vor allem deutsche Künstler wie Albrecht Altdorfer, Hans Baldung Grien, Lukas Cranach und Albrecht Dürer schufen Meisterwerke – als Massenware.

Vor genau 80 Jahren kam das Tempo-Taschentuch auf den Markt. Oskar Rosenfelder, Mitinhaber der Vereinigten Papierwerke Nürnberg, ließ beim Reichspatentamt Berlin am 29. Januar 1929 das Warenzeichen Tempo anmelden. Hygiene und Komfort, gepaart mit einem einprägsamen Produktnamen und einer geschickten Vermarktung, waren das Geheimnis für den Siegeszug des Tempo-Papiertaschentuchs aus Zellstoff. Heute gehört die Marke Tempo zum schwedischen Konzern Svenska Cellulosa Aktiebolaget (SCA).

Der Nürnberger Manufakturwarenhändler G.H. Bestelmeier ist der Pionier des Versandhandels. Zwischen 1793 und 1823 gab er einen bebilderten Katalog für Spielwaren heraus. Jeder Artikel seines „Magazins“ war in Kupfer gestochen und beschrieben. Das Magazin von 1823 führt bereits 1350 Artikel. Durch seine innovativen Ideen stieg Bestelmeier zu einem der reichsten Kaufleute der Stadt auf. 1808 eröffnete er ein Magazin mit Kaufhauscharakter. Neben Spielzeug, Haushaltswaren und Möbeln fand sich ein breites Sortiment vom Dekorations- und Luxusartikeln.

Das Bayerische Gewerbemuseum lobte auf Betreiben seines Direktors, Theodor von Kramer, im März 1903 ein Preisausschreiben aus, an dem sich erstmals Künstler mit Entwürfen beteiligen sollten. Dieser erste deutsche Designwettbewerb für Spielzeug wurde international von der Reformbewegung unterstützt, die Resonanz unter den Künstlern war außerordentlich positiv. Die neuen Gestaltungsprinzipien und der hohe Anspruch an die Verarbeitungsqualität wirkten sich nachhaltig auf das Holzspielzeugdesign aus.

Ursprünglich wurde Ultramarinblau aus dem seltenen Halbedelstein Lapislazuli gewonnen und war ein Luxusprodukt. Erst 1828 gelang die synthetische Herstellung von Ultramarin aus billigen, leicht verfügbaren Rohstoffen. Gefördert durch Johannes Zeltner, arbeiteten in den 1830er Jahren auch die Nürnberger Chemiker Leykauf und Heyne an der Erzeugung künstlichen Ultramarins. Zur industriellen Verwertung wurde 1838 die erste Ultramarinfabrik Bayerns gegründet. Für die Herstellung von Ultramarinrot wurde 1877 das erste Patent des Deutschen Kaiserreichs erteilt.

In Nürnberg wird die Bleistiftherstellung erstmals im 17. Jahrhundert erwähnt. Die Erfindung der Bleistiftmacher war es, Graphitstäbchen mit einem Holzmantel zu umhüllen. Mit der Industrialisierung wurde der Bleistift zur Massenware und Nürnberg zum Zentrum der Bleistiftindustrie. Bis heute sind die Zentralen von Faber-Castell, Staedtler, Schwan-Stabilo und Lyra in der Metropolregion Nürnberg ansässig. Die Einführung der Polygrades-Stifte 1837 durch Lothar Faber markierte den Anfang. Mit sieben Härtegraden wurde der hochwertige Bleistift zu einem Verkaufsschlager. Darauf folgte der legendäre grüne Faber-Castell 9000 - Meisterstück und Massenware bis zum heutigen Tag.

Vor dem Leuchtmarker gab es zum Hervorheben wichtiger Textstellen wenig Möglichkeiten. Mit der Erfindung, Texte zu über-, statt zu unterstreichen, wurde das anders.

Fluoreszierende Tinte in einer funktionalen Hülle: Damit kam ein revolutionäres Schreibgerät auf den Markt – der erste Leuchtmarker der Welt. Der BOSS von Schwab Stabilo aus Nürnberg revolutionierte ab 1971 den Schreibgerätemarkt. Seit fast 40 Jahren ist er die Nr. 1 unter den Leuchtmarkern.

Auf dem Nürnberger Hauptmarkt fanden im Mittelalter „Gesellenstechen“ statt: sportliche Turniere, bei denen ein Reiter mit einer Stange versuchte, einen anderen aus dem Sattel zu stechen. Ursprünglich durften nur die Söhne der Patrizier an solchen Turnieren teilnehmen. Als sie das Interesse daran verloren, kauften ihnen Handwerker die Rechte ab. 1561 fand das letzte Gesellenstechen statt. Der Halbharnisch von 1610 hätte einen Mann im Kampf kaum geschützt. Die Brust- und die Rückenplatten dienen vor allem dazu, der aufwändigen Ätzmalerei eine große Fläche zu bieten.

Instrumente wie das Torquetum wurden selten hergestellt, da sie aufgrund ihrer komplizierten Konstruktion höchste Präzision bei der Herstellung verlangten. Nürnberg besaß im 15. und 16. Jahrhundert herausragende Bedeutung als Produktionsort wissenschaftlicher Instrumente. Die reiche Kaufmannsstadt beherbergte führende Wissenschaftler und hochqualifizierte Kunsthandwerker, deren enge Zusammenarbeit äußerst präzise Instrumente hervorbrachte. Sowohl als kostbare Einzelanfertigung wie als Massenware wurden wissenschaftliche Instrumente aus Nürnberg in aller Welt geschätzt.

Das Gussmodell für die Brunnenfigur des Gänsemännchens belegt die Zusammenarbeit zwischen Künstler und Handwerker. Das hölzerne Gussmodell wurde um 1550 im Auftrag des Bronzegießers Pankraz Labenwolf von dem Bildschnitzer Hans Peisser geschnitzt. Es ist eines der ältesten seiner Art. In früherer Zeit arbeitete man mit Wachsmodellen, die beim Guss verloren gingen. Die Einführung von Holzmodellen bot die Voraussetzung für den Serienguss.

Die Tuchersche Tafelgarnitur ist das bedeutendste Exemplar ihrer Gattung in Deutschland. Der berühmteste Nürnberger Goldschmied, Wenzel Jamnitzer, schuf im Auftrag Linharts II. Tucher etliche Gefäße aus getriebenem Kupfer. Diese Rohlinge wurden in Limoges von Pierre Reymond, einem der besten Spezialmaler mit feinsten Emaillemalereien versehen. Jannitzer setzte anschließend kunstvolle Montierungen aus vergoldetem Silber auf. So wurden einige früher nach Nürnberg importierte Stücke von zwei Meistern zum exquisiten Ensemble vervollständigt. Das repräsentative Prunkservice steht für internationale künstlerische Zusammenarbeit auf höchstem Niveau im 16. Jahrhundert.

Die Partner und Sponsoren

Für eine solche Ausstellung braucht es verlässliche Partner. Unseren Leihgebern – u.a. dem Germanischen Nationalmuseum, der Stadtbibliothek und den Stadtarchiven in Nürnberg und Fürth – ist ebenso zu danken wie dem Archiv der LGA, der Hans-Christoph von Tucher´schen Stiftung und den Firmenarchiven, die uns ihre Tore geöffnet haben.

Im 125sten Jahr ihres Bestehens steht uns die NÜRNBERGER Versicherungsgruppe als Hauptsponsor zur Seite – und wir können den Versicherungsgedanken zugleich innerhalb der Ausstellung präsentieren. Lebkuchen-Schmidt GmbH und Co. KG und der Dr. Walter, Hildegard und Angelika Oschmann Stiftung danken wir für die Unterstützung. Die gesamte Grafik verantwortet Udo Bernstein mit seinem Büro für Gestaltung, und die Blauhaus-Architekten um Mathias Kreibich stehen hinter der Ausstellungsarchitektur.

Quelle: Museumszeitung, Ausgabe 31; 2009

Hinweis: blauhaus hat die Ausstellungsarchitektur Meisterwerk + Massenware konzipiert und umgesetzt.

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