Handbuch Umbau und Modernisierung

planen – kalkulieren - ausführen

Räume anbauen

Im vorangehenden Kapitel wurden Anbauten behandelt, bei denen die Außenwand von Räumen geöffnet oder entfernt wurde, um eine Erweiterung anzubinden. In diesem Kapitel geht es um Anbauten, bei denen die Außenwand weitgehend erhalten bleibt und neue, abgeschlossene Räume angehängt werden. Dieser Ansatz greift weniger stark in die vorhandene Bausubstanz ein und beeinträchtigt eine unter Umständen notwendige Weiternutzung des Bestands in geringerem Maße.

Ein wesentlicher Vorteil ist zudem die Gestaltungsfreiheit, die dieser Ansatz birgt. Die mehr oder weniger ausgeprägte geometrische und konstruktive Trennung von Anbau und Bestand bietet allen Chancen für einen architektonischen Dialog von Alt und Neu. Dies ist ein nicht unwichtiges Motiv für den Bauherrn, der nach dem Erwerb des Hauses dieses erst durch den Umbau zu seinem Haus macht.

Häuser in den Geschossen erweitern

Für die Erweiterung bestehender Gebäude durch Anbauten setzen das Grundstück und das Baurecht in der Regel enge Grenzen. Fast immer geht es dabei um den Anbau an der schmalen Seite des Hauses, zumeist hin zum rückwärtigen Garten, seltener in Verlängerung der Straßenfront. Das hat u.a. damit zu tun, dass bei den verbreiteten Bebauungskonzepten die Grundstückbreite die Straßenlinie ist und deshalb den Baukörper mehr bestimmt als die Tiefe des Grundstücks. Die seitlichen Abstände (Grenzabstände) sind baurechtlich festgelegt und dürfen auch beim Umbau in der Regel nicht angetastet werden. Es bleibt folglich nur die rückwärtige Erweiterung in den Garten, was aber in vielen Fällen der geplanten Nutzung der neuen Räume durchaus entgegenkommt.

Seltener ist der seitliche Anbau (senkrecht zur Firstrichtung), der eine Anbindung an die geneigte Dachfläche erfordert.

Der Anbau bietet eine Reihe von Vorteilen:

  • Er ist als eigenständiger Baukörper unabhängig vom Zustand des Bestands, auch hinsichtlich der Gründung. Wird der Anbau über ein Fugenbauteil mit dem Altbau verbunden, können die verbleibenden Risiken der Gründung beherrscht werden.
  • Die Distanz zum Bestand macht Aufwand und Kosten genauer kalkulierbar, als das beim Umbau im Bestand möglich ist.
  • Der Anbau kann realisiert werden, ohne dass der Bestand zwangsläufig zur Baustelle wird. Es können Lösungen gefunden werden, die nur begrenzte Eingriffe erfordern.
  • Der eigenständige Baukörper gibt die Freiheit für eigenständige, zeitgemäße Architektur. Hier bietet sich die beste Chance, weniger individuellen Bestand „einzigartig“ zu machen.

 

Anbauten sollen auf derselben Ebene gegründet werden wie das bestehende Gebäude. Damit sollen einheitlich Baugrundverhältnisse geschaffen werden. Da der gewachsene, tragfähige Boden um das bestehende Gebäude herum bei den damaligen Bauarbeiten ausgehoben wurde, findet sich hier tragfähiger Boden erst auf der Gründungssohle des Bestands.

Das heißt: bei unterkellerten Gebäuden wird auch der Anbau unterkellert. Das sollte korrekterweise auch so gemacht werden, wenn ein Anbau nur in einem Obergeschoss ausgeführt wird. Zwar gibt es hierzu Alternativen wie z. B. die Pfahlgründung oder eine Baugrundverbesserung, doch sind diese entweder teuerer oder sie bergen das Risiko größerer Setzungen, die dann eine aufwendigere Fugenplanung und -ausbildung erfordern. Leichte Bauweisen in Holz und Stahl verringern die Setzungsprobleme. Sie ermöglichen ein hohes Maß an Vorfertigung und zudem kurze Bauzeiten, nicht zuletzt eine reduzierte Baustelleneinrichtung. Dies kann entscheidend sein für die Wahl der Konstruktionsart, so z.B. bei einem Anbau in Nürnberg, bei dem die enge Zufahrt zur gartenseitig gelegenen Baustelle eine übliche Baustelleneinrichtung nicht gestattete. So wurde in Holzrahmenbauweise geplant und die vorgefertigten Bauteile per Autokran übers Haus versetzt.

Häufig wird zwischen Anbau und Bestand eine Erschließungszone (oft mit Treppe) eingefügt und der Hauseingang hierher verlegt. Die Erschließungszone dient dann zugleich als Bauwerksfuge.

Bauplatz im Obergeschoss

Anbauten werden, je nach Raumbedarf und Zweck, ein- oder mehrgeschossig ausgeführt. Selten und entsprechend auffällig sind Anbauten, die auf das Obergeschoss beschränkt sind. Aus unterschiedlichen Motiven bleibt die darunterliegende Fläche frei, um den Hauszugang frei zu halten, eine Terrasse zu schaffen, das Auto darunter abzustellen oder um eine Durchfahrt zu erhalten. Auch aus Kostengründen kann sich die Beschränkung der Erweiterung auf das obere Geschoss empfehlen: Damit entfallen sämtliche Anschluss-, Dämm- und Abdichtungsprobleme zum Erdreich.

Quelle: Rudolf Müller Verlag: Achim Linhardt
ISBN 978-3-481-02351-5

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