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Hand-Werk: Über Architektur und Kunst

Kleine Vorrede:

Was können Sie jetzt erwarten? Reden, die in solchen Momenten gehalten werden, neigen dazu, über Alles oder Nichts zu berichten. Ich habe mich demgegenüber für ALLES - oder besser zu Allem entschlossen.

Und ich hoffe, dass es am Ende wie mit den Verhandlungen über die nächste Lohnerhöhung geht: Nur wenn ALLE UNZUFRIEDEN scheinen, ist es ein gutes Ergebnis - weil die Mischung stimmt.

Der Philosoph Immanuel Kant hat uns vier grundsätzliche Fragen mit auf den Weg gegeben...

1. Was kann ich wissen?

2. Was soll ich tun?

3. Was darf ich hoffen?

4. Was ist der Mensch?

So ungefähr sah auch der Auftrag aus, den mir der Gastgeber für die Abfassung dieser Rede mit auf den Weg gegeben hat:

a) (Was kann ich wissen?): Es geht um die Schnittstelle zwischen Kunst und Architektur ... denn Mathias ist in beiden Feldern selbst unterwegs...

b) (Was soll ich tun?): Dieser Frage hat er sich auch selbst gestellt, als es um die Gestaltung dieses Festes ging. Er hat sich selbst ein Geschenk gemacht, als er Ulrike und Ingo eingeladen hat, aus Anlass des Firmenjubiläums eine Ausstellung - wenn man so will at Work - mit auf den ersten Blick so gegensätzlichen Positionen zu machen.

c) (Was darf ich hoffen?): Ich werde mich in mäandrierenden Schleifen um den heißen Brei von Architektur, Kunst und Geschichte bewegen - und dabei hoffen, auf ein paar interessante Knackpunkte, Schnittstellen, Aussichtspunkte und Ansichten hinweisen zu können.

d) Was ist der Mensch? Auf ein so existenzielles Thema komme ich erst zum Schluss...

Themawechsel

Raum - ist eine zentrale Kategorie im Leben von uns Menschen: Wir kommen zwar aus dem Wasser, das lehrt uns die Evolution.... Aber wohin hat es uns dann verschlagen?

In die Höhlen: Wenn man so will, die ersten Räume der frühen Menschheit.

  • Die Höhlen von Lascaux machen deutlich, dass schon unsere Vorfahren vor 25.000 Jahren ein sehr feines Gespür für Form, Proportion und Abstraktion hatten - mithin Aspekte, die in der Kunst wie auch Architektur eine große Bedeutung besitzen.
  • Spätestens mit Platons Höhle wird uns aber bewusst, dass Höhlen auch metaphorische Dimensionen besitzen - das ist ein geradezu essenzieller Aspekt, der Kunst und Architektur miteinander verbindet.

Und heute: Es findet ein Kampf um jeden Höhenmeter (wohl gemerkt: nicht Höhlenmeter) statt:

Wolkenkratzer, oft als Symbol für Fortschritt in Auftrag gegeben, stehen paradoxer Weise heutzutage eher am Beginn eines wirtschaftlichen Niedergangs. Das gilt für die Auftraggeber - nicht für die Architekten.

Auch in dieser Weise scheinen wir fast lemminghaft der Geschichte zu folgen: Ich sage nur: Babylon, der Turmbau zu Babel.

Raum, architektonischer Raum zumal, ist voll unsichtbarer Koordinaten, voll von Normen und DIN-Vorschriften:

  • Bei einer Wristhöhe von bis zu 50 cm muss ein Hundezwinger in Deutschland mindestens 6 Quadratmeter Grundfläche besitzen.
  • Demgegenüber klafft eine bedenkliche Lücke bei der Bemaßung von Kinderzimmern. Nur das alte Baugesetz der DDR kannte ein Mindestmaß - wenn man so will ein "Kinder- Platten-Gardemaß" = es waren mindestens 8 Quadratmeter. Die Wiedervereinigung hat dieses Gesetz allerdings ersatzlos geschluckt. Womit diejenigen vorübergehend Recht bekommen, die da sagen: "Es war ja nicht alles schlecht..."

Themawechsel

Was ist da noch Kunst - in der Bau-Kunst?

Die Frage nach der "Königin" der Künste - auch die hat eine lange Tradition - und einen schönen Namen: Nein, nicht "Blau- Pause".... sondern Paragone... Mit Wurzeln in der Antike (Plinius/Petraca) und... selbstredend... in der Renaissance.

Ah! Kein Vortrag in Nürnberg ohne Albrecht Dürer. Ja, natürlich hat sich auch der fränkisch-ugrische Meister - er war ein Kind von Einwanderern aus dem Ungarischen - dieser Debatte angenommen.

Um es kurz zu machen:

Die Malerei ging in diesen Debatten um die Meisterschaft oft als Sieger vom Platz, galt doch der Bildhauer eher als der verschwitze Underdog mit Marmorstaub auf dem freien Oberkörper. (...Konstantin macht da jetzt gerade seine eigenen Erfahrungen).

Mit der Kunst kommt mitunter die Farbe ins Spiel... Inzwischen wissen wir, dass alle so köstlich weiß schimmernden Marmorfiguren aus römischer Zeit einst in Popart-Manier bemalt waren. Man muss es sich vorstellen: das Forum Romanum als Farbenrausch.

Ob da die Farbe Blau bereits eine gewichtige Rolle spielte, ist hingegen nicht überliefert.

Themenwechsel

Im vorliegenden Zusammenhang ist allerdings davon auszugeben, dass Blau eigentlich auch heute Abend so gut wie keine Rolle spielt.

Denn: Das Blau des heutigen Abends ist - streng etymologisch (das heißt von der Wortgeschichte her) betrachten - ein sinn- entfremdende Abwandlung des Wortes Bau: wie Bauhaus...

Nochmal, zum Mitschreiben: aus Bauhaus (da kann man gut Architektur studieren - und das wurde auch dort gemacht) wird Blau-Haus.

Aber halt: Auch schwarz und weiß sind wichtig - das zeigen auch die Arbeiten von Ingo Fröhlich - schließlich bilden sie die Basis für Licht und Schatten. Und Weiß macht den größten Abstand zwischen zwei Wänden.

"So, wie Du bist, so sind auch Deine Bauten" 

...so formulierte es einst der Architekt Louis Sullivan (1856- 1924) Mitbegründer der Chicagoer Schule...

Ja,... es wird viel Blödsinn erzählt. 

Denn: Obschon seine Bauten (gemeint sind die von Mathias) oft alt sind - jedoch nicht alt wirken -, ist unser Gastgeber mal gerade doppelt so alt wie seine eigene Firma. 

Tja, Blauhaus... 

Corporate Design ist so eine Sache... 

Nur böse Zungen könnten vermuten, dass in diesem Hause deshalb BMW gefahren wird, weil das die einzige Auto-Marke ist, die ein emaliertes Blau im Firmensignet trägt... 

Themawechsel

Ziehen sich hier (gemeint ist jetzt die Kunst) Gegensätze an? 

Man könnte es meinen...

hier: die Farbe - und die aufgelösten Formen (...Ulrike Seybold) 

dort: die starken Kontraste - in Schwingungen versetzt.(Ingo Fröhlich) 

IMMER aber geht es um Energie ... um die gute Energie (nein, ich sage jetzt nichts zu dem unsäglichen Unterfangen, jedem Altbau ein Styropor-Haut zu verpassen) 

Darüber wird die Zeit ihr Urteil fällen... und der Schimmel... Aber....Zeit ist auch so ein Faktor: verbindend und trennend zugleich. Wir alle - so David Harvey 1989 - leben im Zeitalter der Kompression von Raum und Zeit 

Themawechsel

Dem Betrachter von Kunst geht's meist um das "Produkt". Dem Künstler aber, oder der Künstlerin, geht's mehr um den Prozess, um das Doing (ähnlich wie beim Wandern, beim Meditieren)... 

"Meine Bilder wissen mehr als ich!" Das sagt Gerhard Richter - einer der teuersten lebenden deutschen Künstler. Was heißt das jetzt nun wieder?

Nicht immer ist das gemeint, was man auf den ersten Augenblick zu erkennen glaubt - und - Kunst ist in die Zeit Ihrer Entstehung eingewoben. Architektur und Kunst können - im metaphorischen Sinne also - als nonverbale Kommunikationssysteme, d.h. als nicht-sprachliche Formen der Verständigung, angesehen werden. 

Daraus folgt: Wo Kunst ist, da ist Kommunikation - da gibt's Grammatik, da gibt's ein Vokabular... 

"Ist das Kunst, oder kann das weg?" 

Ja, ja, kein Vortrag ohne die Erwähnung von Joseph Beuys, den "fettenden" Künstler. Wie aber steht es mit der "guten" und der "schlechten" Kunst nun wirklich? 

Als Dreingabe - wenn man so will als zerebral-akustische Zugabe - gibt's jetzt nichts weniger als eine Welterklärungsformel mit einem hohen Maß an Alltagstauglichkeit. 

Schon die Sänger in der Rappelkiste auf der Sesamstraße wussten es: 

Wieso? 

Weshalb? 

Warum? 

Das sind die drei Kategorien, nach denen Kunst, Architektur, oder auch gleich das ganze Leben zu bewerten ist. 

Wenn also das Wie? (Phänomenologie) 

das Was? (Funktion) 

und das Warum? (Bedeutung) sich klären lassen, dann machen Kunst und Architektur einen Sinn - ja: sie stiften Sinn! 

Aber bei allem Konsens zwischen Architektur und Kunst... Am Ende zählt die Länge der Kette, an der der Hofhund hängt. Und die ist bei der Architektur in jedem Falle dornenbewährt... während die Kunst freier ist - wenngleich auch mit unter "brotlos" 

Braucht es also masochistische Wesenszüge, um Architekt oder grad Künstler werden zu wollen? Ein gefährliches Thema!... Zurück also zur Sinnproduktion. 

Mitunter müssen Sachverhalte auch ad absurdum geführt werden, um ans Ziel führen zu können. 

In unserer nach Rentabilität lechzenden Zeit, zeigt uns die Kunst, dass Umwege praktikabel, ja zielführen sind also sinnvoll sein können! 

Themawechsel

Ich komme zum Thema Nachhaltigkeit. 

Die Baumeister des Mittelalters hätten ohne Schwierigkeiten "500 Jahre Garantie" auf manche Gemäuer geben können. Und die Künstler: ohnehin. 

Es ist eben die Frage: sitze ich in der Mietswohnung und schaue auf die eigene Kunstsammlung, oder sitze ich im eigenen Haus, und schaue auf die Bilderrahmen mit den Repros aus einem schwedischen Möbelhaus.

Wohl dem, der beides kann!... 

Ich habe mir sagen lassen, dass beide Künstler durchaus auch am heutigen Abend ansprechbar sind - käuflich will ich hier nicht sagen. Während das Haus, in dem wir heute hier gemeinsam feiern dürfen, als unverkäuflich gilt. 

Im komme zum Ende

Eingestiegen war ich mit Kant und seinen vier Fragen. Bleibt also abschließend nur noch die vierte Frage: "Was ist der Mensch?"

Ich würde sagen unser Blau-Mann ist die Personifikation der facettierten Vielfalt. Erheben wir also unsere Gläser... 

Nehmen einen tiefen.... Atemzug durch die Nase... und erahnen vielleicht noch eine kleine Spur Terpentin.... Die nicht vom Sekt kommt, sondern von der Ölfarbe - um auf der Leinwand erst die richtige Geschmeidigkeit zu erzeugen... 

Und trinken auf: 

- Das Wohl des Blauhauses 

- Auf das Wohl der Blauhäuserinnen und -häusler 

- Und natürlich auf das Wohl der Kunst. 

Lieber Mathias, liebe Astrid, 

Liebe Ulrike lieber Ingo, 

Ad multos annos feliciter! 

...der Vorhang fällt - am Ende bleibt ein Rätsel

Wohl bekommt's!

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