Feuerfalle Altenheim

Kritik am Brandschutz – Bewohner in Lebensgefahr

Feuerfalle Altenheim: Wenn Seniorenwohnheime zu Pflegeheimen mutieren, hinkt der Brandschutz oft hinterher. Ein Beispiel? Die Bewohner des Pflegeheims Santa Gloria sind vor einem guten Jahr nur knapp den Flammen entkommen. Das Protokoll einer Beinahe-Katastrophe.

Um 4.50 Uhr meldet die Polizei der Feuerwehr, dass in der Lothringer Straße Müllcontainer brennen. Reine Routine; nichts, was die Feuerwehr normalerweise aus der Ruhe bringt.

Anders am 12. Mai 2007. „Der Puls des Einsatzleiters ist gestiegen“, erinnert sich Matthias Ottinger von der Berufsfeuerwehr beim „2. Nürnberger Feuerwehrinformationstag“. Er schildert Kollegen aus ganz Bayern den Einsatz dieser Nacht. Sein Thema: „Probleme bei der Rettung behinderter Menschen.“

Schon bei der Anfahrt schwant der Feuerwehr Schlimmes. Die brennenden Container stehen am Altenheim Santa Gloria, in der Durchfahrt zum Hinterhof. Die Balkone auf der Rückseite des Gebäudes brennen bis in den dritten Stock. Eine Frau steht auf einem Balkon. Erdgeschoss, erster Stock, Treppenhaus sind verqualmt.

Wie retten? Die Durchfahrt zum Hinterhof ist so schmal, dass an ein Durchkommen mit der Drehleiter nicht zu denken ist. Die Feuerwehr muss mit tragbaren Leitern arbeiten. Die reichen gerade bis in den dritten Stock. Mit der Leiter zerrt die Feuerwehr die verwirrte Frau vom Balkon.

Zu allem Unglück lagern Gasflaschen im Hinterhof. „Vier Meter hohe Flammen schlagen heraus“, sagt Ottinger. Und als wäre das nicht genug, verbirgt sich in der Durchfahrt hinter einer Holzverkleidung ein Fenster. Es hält dem Feuer nicht stand. Die Flammen greifen aufs dahinter liegende Foyer des Altenheims über und breiten sich im Treppenhaus aus. Befeuert wie im Kamin arbeiten sich Qualm und Flammen bis ins sechste Obergeschoss vor.

Zu dieser Zeit liegen 33 Bewohner in ihren Betten oder laufen panisch umher. Einige sind dement und schwerste Pflegefälle. Ein einziger Pfleger hat in dieser Nacht Dienst.

Dieter Zill, Geschäftsführer der Heim-Gesellschaft, zu der Santa Gloria gehört, kann daran nichts finden. Das sei nicht ungewöhnlich. Dabei müsste die Heimleitung sicherstellen, dass genügend „betriebseigenes Personal“ da ist, das die Bewohner im Fall eines Brandes zu den Fenstern auf der Vorderseite des Hauses bringt, wo die Feuerwehr die Drehleiter einsetzen kann. So steht es im Auflagenbescheid der Bauordnungsbehörde. „Mit einer Person kann das nicht funktionieren“, sagt Gerhard Steinmann, Vize-Chef der Behörde auf Anfrage.

Entsetzte Kollegen

Die Einsatzleitung zerbricht sich den Kopf, wie sie die Menschen aus dem Haus bekommt. Der Feuerwehraufzug, eine weitere Auflage der Stadt, ist nicht benutzbar, weil der Qualm im Treppenhaus zu dicht ist. Notfallschleusen, die zum Aufzug führen? Fehlanzeige. Das räumt Zill ein. „Das gibt’s in keinem Heim.“

Selbst wenn der Aufzug benutzbar wäre: Die Feuerwehr könnte die Bewohner nicht einmal in ihren Betten zum Aufzug schieben. Die Türen zu den Pflegezimmern sind so schmal, dass kein Bett durchpasst.

Ottingers Zuhörer schütteln jetzt nur noch den Kopf. „Das hätte nie als Pflegeheim genehmigt werden dürfen“, sagt Volker Sporck, der bei der Berufsfeuerwehr Augsburg in leitender Funktion arbeitet.

Nicht einmal automatische Brandmelder, die mit der Feuerwehr verbunden sind, gibt es im Altenheim Santa-Gloria; nur sogenannte Handdruckmelder, deren Scheibe erst eingeschlagen werden muss. Doch wer soll die bedienen? Fragt die Feuerwehr. Viele Bewohner sind verwirrt und bettlägrig. Nur die Feuerschutztüren an den Zimmern funktionieren in dieser Nacht. Rauchmelder steuern sie. Die Türen fallen zu, halten die Flammen fern.

Die Feuerwehr rettet die Menschen schließlich über die sehr schmale Treppe im Treppenhaus. Löschtrupps jagen nach oben, während Stoßtrupps mit Atemschutz die Patienten auf Tragen nach unten hieven.

Die Liste der Mängel, die die Feuerwehr aufzählt, ist lang. Das Fazit der Fachleute: Das Gebäude sei für ein Pflegeheim nicht geeignet. Die Bauordnungsbehörde sieht das anders. Das Amt habe im Jahr 1989 die Nutzung als Seniorenwohnheim genehmigt, sagt Vize-Chef Gerhard Steinmann. Bevor der erste Bewohner einzog, beantragte der Bauherr die Nutzungsänderung zum Pflegeheim. Die Bauordnungsbehörde gab ihren Segen – und machte Auflagen: den Feuerwehr-Aufzug zum Beispiel.

„Das war damaliger Genehmigungsstandard“, sagt Steinmann. Und was einmal genehmigt ist, bleibt es auch. „Genehmigungen haben Bestandsschutz.“ Die Ausnahme: Stellt die Behörde bei einer Überprüfung Gefahren fest, kann sie die Nutzung untersagen. Hat sie nicht.

Genau darauf zieht sich Geschäftsführer Zill zurück. „Das Objekt war genehmigt, es wurde nachbegutachtet von der Bauordnungsbehörde. Da war alles in Ordnung.“

Zill betont, dass nach dem Feuer ein Brandschutzkonzept umgesetzt worden sei. 250 000 Euro habe der Umbau gekostet. Rettungsbalkone wurden eingezogen und überall Rauch- und Feuerschutztüren installiert. Laut Zill wurden 30 Rettungsstühle angeschafft, mit denen die Bewohner im Notfall über die Treppe ins Freie gebracht werden können.

Einen zweiten baulichen Rettungsweg in Form einer Feuerschutztreppe an der Rückfassade gibt es bis heute nicht. Ist auch nicht vorgeschrieben.

Quelle: Nürnberger Nachrichten

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