Ein Kleinod im Schatten der Burg

Mit Liebe und Sorgfalt ließ ein Privatmann eine Villa aus der Jahrhundertwende sanieren

Architekt hatte sich das Haus vor über hundert Jahren geschaffen – Einrichtung original erhalten

Erinnert an eine kleine Burg: die Villa an der Pilotystraße 7 (rechtes Bild). Im Inneren weist das Gebäude eine ehemalige Bibliothek mit handgearbeiteten Holzvertäfelungen auf. Zwischen dieser Wandverkleidung und der Kassettendecke wurden während der Sanierung Malereien entdeckt, die jetzt wieder frei liegen. Heute dient das Zimmer als Festraum.

Als Johannes Hercher das Liebhaberobjekt vor drei Jahren das erste Mal betrat, war er „fasziniert“ und „erschreckt“ zugleich. Neben gut erhaltenen Räumen lagen auch welche, die in einem „schlimmen Zustand“ waren. Doch einmal von dem Anwesen im Bann gezogen, wuchs bei dem 32jährigen Immobilienmakler und Bauträge die junge Liebe zu dem alten Haus bei jeder neuen Inspektion.

Der Nürnberger Geschäftsmann kaufte das Wohngebäude schließlich im Jahr 1993 und ließ es für sich, seine Frau und zwei kleine Kinder mustergültig sanieren. Im Frühjahr 1995 zog die Familie in der Villa an der Pilotystraße 7 ein. Heute können die Besitzer mit Fug und Recht behaupten, in einem der eigenwilligsten, denkmalgeschützten Häuser der Stadt unweit der Burg zu wohnen.

Der Nürnberger Architekt Ludwig Schmitz hatte das Gebäude auf seinem Grundstück im Eck zwischen Vestnertorgraben und Nebengasse (heute: Pilotystraße) 1894 als Familienwohnsitz inmitten von viel Grün errichten lassen.

Bei der Innengestaltung seines Traumhauses lies der Architekt der Phantasie freien Lauf: Nahezu jedes Zimmer bekam ein anderes Gesicht. Neben dem Historismus hielt auch der Jugendstil Einzug. Ein Raum entstand im Stil des Barock. Verschiedene Elemente wie Erker und Türmchen übernahm der Architekt von Nürnberger Bürgerhäusern, die zinnenähnliche Brüstung auf der (über einem 1908 entstandenen Anbau gelegenen) Terrasse erinnert an die nahe Burg.

Den Zweiten Weltkrieg hatte das Haus samt Einrichtung unbeschadet überstanden. So fand Hercher auch die originale Inneneinrichtung nahezu komplett vor; Eichenparkett ziert das ganze Haus. Ein altdeutscher Salon, gefertigt vor hundert Jahren nach einem Vorbild im Germanischen Nationalmuseum, ist das Kleinod des Hauses. Der später zur Bibliothek avancierte Raum ist an den Wänden holzvertäfelt und mit einer Kassettendecke ausgestattet.

Mit viel Feingefühl hat der Architekt Mathias Hennig die Sanierung des Hauses ausgetüftelt. Immerhin galt es, nichts zu verändern, gleichzeitig das Haus aber entsprechend den Bedürfnissen einer jungen Familie zu renovieren, selbstverständlich auch mit einer modernen Haustechnik zu versehen. Immer wieder stieß Hennig auf Überraschungen. Zum Beispiel entdeckte er unter einer dicken Lage mehrerer Anstriche an allen vier Wänden der Bibliothek Malereien auf Textil. Mühsam wurde die Leinwand davon befreit.

Bei der Renovierung musste der Architekt erfinderisch sein. Um wertvolle Holzvertäfelungen nicht zu zerstören, ließ Hennig neue Stromleitungen über die Außenwand an Ort und Stelle führen. Auf den Einbau eines großen Bades wurde verzichtet, um die originalen Fließen der vorhandnen kleineren Bäder nicht zu zerstören. „Wir haben uns bei vielem zurückgenommen, um etwas schaffen zu können, was dem Haus entspricht“, sagt Hennig.

Bei der Erneuerung von rund 50 Fenstern, von denen kein einziges irgendein Normmaß unserer Tag besitzt, wurde zum Teil das Glas der Vorgänger verwendet. Der Bauherr musste lange suchen, bis er eine Firma fand, die bereit war, jeden Holzrahmen nach altem Vorbild zu fertigen. Bei der Farbgestaltung im Inneren orientierte sich Hennig an dem Vorhandenen. So erscheinen heute die filigranen Heizkörper in der Bibliothek im gleichen Grün wie die Kacheln des dominierenden, raumhohen Ofens.

Warum hat sich der Eigentümer ausgerechnet so ein Gebäude als seinen Familiensitz ausgesucht? „Ich wollte immer ein Haus, das lebt und das sich bewegt“, erklärt Hercher Auch wenn Kauf (880 000 Mark) und Sanierung (rund 940 000 Mark) eine stattliche Größe ausmachen, bereut der Bauherr die Investition in keiner Weise. Die Gesamtsumme liege immer noch unter den Neubaukosten eines vergleichbaren, modernen Wohnhauses. Und für die vorbildliche Restaurierung erhielt Hercher schließlich beim alljährlichen Fassadenwettbewerb der Stadtparkasse einen Preis in Höhe von tausend Mark – als Anerkennung für handwerklich sehr solide Arbeit.

Quelle: Nürnberger Nachrichten. Author: Siegried Zelnhefer

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