Diesen Typen hat jeder schon einmal gesehen

Es ist das älteste und zugleich das neueste Haus im Verbund der sieben städtischen Museen: Für rund 800 000 Euro wurde das Dürerhaus in den vergangenen vier Jahren modernisiert. Das Publikum dankt's. 

Wann waren Sie zuletzt im Dürerhaus? Jahre her? Dann wird es Zeit, nochmal hinzugehen. Denn Fakt ist: Es hat sich dort sehr viel getan. Thomas Schauerte, seit fünf Jahren Hausherr und renommierter Dürer-Forscher, hat das Museum entstaubt. Das fing in der Küche an: Wo früher künstliches Herdfeuer flackerte, erhellen heute Led-Leuchten den Raum, die Papp-Agnes wurde verbannt und das künstliche Gemüse entfernt. Im Foyer mussten die „alten“ Fässer weichen und die Kostümführungen wurden bis auf den Rundgang mit Dürer-Gattin Agnes abgeschafft. 

„Wir haben die pseudo-wissenschaftliche Dürer-Gemütlichkeit rausgeworfen“ sagt Schauerte und wer mit ihm durch die Räume geht, der spürt: Das war ihm ein echtes Herzensanliegen. Der Mann ist Wissenschaftler, setzt in seinem Haus auf sachliche Wissensvermittlung statt bunten Kulissenzauber – und gleichzeitig auf eine zeitgemäße multimediale Präsentation.

Jeden Zentimeter nutzen

„Dem Besucher durch eine entsprechende Inszenierung das Gefühl zu vermitteln, Albrecht Dürer komme gleich wieder, ist sehr problematisch, weil wir nur wenig über die Alltagskultur der Dürerzeit wissen“, argumentiert Schauerte. Sehr viel mehr weiß man dafür über Dürers Werke. Die sind zwar zum größten Teil nicht mehr in der Stadt und erst recht nicht  mehr im Dürerhaus, werden dort aber an hochmodernen Bildschirmstationen auf sanften Fingerklick hin kurz und prägnant erklärt. Der interaktive Leuchtkasten mit Informationen zu 43 Dürer-Werken aller Gattungen steht in einem kleinen Raum, den man früher nur passierte, um auf die Toilette zu gelangen. „Das historische Gebäude ist für ein Museum tendenziell zu klein, da muss man jeden Zentimeter nutzen“, sagt Schauerte. 

Der Rundgang durch das Haus beginnt also jetzt dort – und zwar unter den Augen des Meisters. Wandfüllend blickt sein berühmtes Selbstbildnis im Pelzrock dem Besucher entgegen. „Diesen Typen hat jeder schon mal gesehen“, weiß Schauerte und hat sich deshalb für dieses „WirkungsvolleWillkommen“ entschieden.

Ein Stockwerk höher werden im neuen Dürersaal hochwertige Kopien der bekannten Werke und immer wieder auch originale Zeichnungen als echte Pretiosen präsentiert. Der einstige Kinosaal wurde unter Schauertes Leistung schon vor längerem zum Ausstellungssaal umfunktioniert. „Wer zu uns kommt, der will auch Bilder sehen“, weiß der Dürer-Experte und hat jetzt nochmal Hand anlegen lassen im Saal: Rot ist er gestrichen, so frisch, dass es noch nach Farbe riecht. „Die Besucher sind hier mucksmäuschenstill. Die Farbe vermittelt offenbar eine Grundehrfurcht vor den Bildern“ hat Schauerte beobachtet. 

Apropos Besucher: Die bekommen hier Informationen in sechs verschiedenen Sprachen, je nachdem für welchen Audioguide sie sich entscheiden. „Das Dürerhaus gehört zum Standard-Programm der Touristen“ sagt Schauerte und freut sich über den Popularitätsschub, den die große Dürer-Schau des Germanischen Nationalmuseums 2012 auch seiner Institution beschert hat;; Mehr als 84 000 Besucher kamen, 20 000 mehr als im Jahr zuvor. Und das Schönste daran: Das war ken Strohfeuer, der Zuspruch hält sich auf hohem Niveau. 2013 zählte man 78 500 Gäste. Die können sich nicht nur durch Dürers Werk klicken, sondern an Medienstationen auch Wissenswertes über seine Reisen, Nachbarn und Zeitgenossen erfahren, die in Deutschland, Italien und den Niederlanden künstlerisch tätig waren.

Sternenkarte vom Meister

Die von der Zukunftsstiftung der Sparkasse geförderte Modernisierung des Dürerhauses umfasste alle Etagen – bis hinauf zum Grafikkabinett unterm Dach. Dort wurden Zwischenwände entfernt, so dass jetzt ein großer Raum für die Sonderschauen zur Verfügung steht, bei denen Schauerte mit der grafischen Sammlung der Uni-Bibliothek Erlangen kooperiert. Im nächsten Jahr widmet sich dort zum Beispiel eine Sonderschau den dann 500 Jahre alten Sternenkarten des Multitalents Albrecht Dürer.

Ein Juwel aus Nürnbergs Blütezeit

Das Dürerhaus ist eines der wenigen unzerstörten Bürgerhäuser aus Nürnbergs Blütezeit und das einzige Künstlerhaus aus dem 15. Jahrhundert, das sich in Nordeuropa erhalten hat. 1828 wurde es als eine der frühesten Künstler-Gedenkstätten überhaupt eingerichtet, 1871 wurde das Haus dann zum Museum umgestaltet. Von 2010 bis 2014 wurde die Ausstellungspräsentation in Dürers Wohn- und Sterbehaus komplett modernisiert.

Eine Besonderheit sind die Führungen einer Schauspielerin im Gewand von Dürers Ehefrau Agnes. In der Werkstatt werden historische Drucktechniken erläutert. Das Grafische Kabinett zeigt in Wechselausstellungen die reichen Bestände der Kunstsammlungen, und der Dürer-Saal präsentiert wertvolle Kopien von Dürers Gemälden.

Geöffnet hat das Haus in der Albrecht-Dürer-Straße 39, das sich über vier Etagen erstreckt, dienstags bis freitags 10-17 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, am Wochenende 10-18 Uhr. Zum Christkindlesmarkt ist auch montags offen, von 10-17 Uhr.

von Birgit Ruf

Erschienen am Donnerstag 4. Dezember 2014, Nürnberger Nachrichten

Weitere Artikel in dieser Kategorie

Merkzettel

Menu

Schnellkontakt

Schnellkontakt
Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung