Die Restaurierung einer Jugendstilfassade

Meuschelstrasse 23

Wer sich  mit der Geschichte der Nürnberger Nordstadt beschäftigt oder den Immobilienmarkt kennt, weiß, daß es sich zunehmend um eine der begehrtesten Wohnlagen der Stadt handelt. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Wohnhäuser der Jahrhundertwende, die u.a. aufgrund ihrer Variabilität, Schönheit und Größe eine magnetische Kraft auf ihre Liebhaber ausüben.

Herr Renda äußerte sich in seinem Buch, Jugendstilhäuser in Nürnberg, insbesondere zur Meuschelstr. 23 und 25 wie folgt:
„Zu den eindrucksvollsten Baugruppen des Jugendstils im Stadtbereich gehören sicher diese original erhaltenen Wohnhäuser. Sie vereinen die damals abklingende vegetale Formenvielfalt des Dekors, mit einer maßvollen Tendenz zur Tektonisierung, wie sie sich in den vergrößerten Erkern und der mächtigen Turmhaube ausspricht. An den verschiedenen Putzsorten und der nur andeutungsweise erhaltenen farbigen Fassung der Ornamente in kräftigem Rot lässt sich die Sorgfalt ablesen, die auf die Oberflächengestaltung verwendet wurde. Die straffe Fenstergliederung mittels aufstrebender Kastanienbäumchen ist das zentrale Motiv der Fassadendekoration, das mit dynamischen abstrakten Felderfüllungen gekoppelt wird.“

Die Architekten Popp und Weisheit, die unter anderem auch die Jagdstrasse 12 (neben dem Café Fatal) geplant und errichtet haben, zeigen sich auch verantwortlich für diese beiden Bauten. Was mich persönlich stark beeindruckt ist, da keinerlei exakte Pläne existieren, keine Farbgestaltungskonzepte, mit wieviel Fingerspitzengefühl und menschlichen Maßstab um die Jahrhundertwende gebaut worden ist – Farben, Plastizität, Ornamentik, Gliederung, Spannungsverhältnis von offenen und geschlossenen Flächen.

Befunddokumentation Meuschelstraße 23

Fassadengestaltung
Die Straßenfassade ist gegliedert durch senkrechte Fensterachsen und dem mittelachsigen Erker vom 1. OG zum 3. OG.
Diese Mittelachse wird zudem durch den reich gestalteten Ziergiebel betont. Die Fassadengestaltung ist ein Wechselspiel aus Sandstein, Hüllenputz und Stuckornamenten. Den Sockelbereich bildet das Erdgeschoss mit angespitzten Sandsteinquadern und dem doppeltürigen Rundbogentor.
Ein weiteres Gestaltungselement sind die weitgehend im Originalzustand erhaltenen gesprossten Jugendstilfenster, die im Erdgeschoss sowie im 4. OG als Rundbogenfenster ausgebildet sind. Der in den Sockelbereich integrierte, reich verzierte Sandsteinerkerfuß trägt den dreigeschossigen Erker mit Balkon.

Stuckornamentik, Farbigkeit
In der Stuckornamentik spiegeln sich die im Hinterhofbereich stehenden Kastanienbäume wider. (Der Kastanienbaum könnte zum Zeitpunkt der Erbauung gepflanzt sein, Anmerkg. M. Hennig)

Die Brüstungsfelder sind mit Stockbändern und Blüten sowie mit Kastanienblättern gestaltet und lasierend farbig gefasst. Die Blumen sind mit einem hellen Unteranstrich und darauf lasierend in Streifen das Rot der Blüten versehen. Die Höhungen waren mit Gold belegt. Das horizontal verlaufende Stuckband (3. OG) stilisiert die Baumkrone mit Blättern und Früchten.
Eine besondere gestalterische Komponente bilden die beiden Stuckfratzen.
Die Fassade wies vor der Reinigung einen hohen Verschmutzungs- und Verwitterungsgrad auf. Nach der Reinigung mit Wasser durch den Steinmetz Herrn Reiz zeigte sich folgender Befund:

Stuckornamentbereich
In den Brüstungsfeldern wurden nach einer weiteren Reinigung sämtliche Originalfarben in einem guten Ursprungszustand gefunden.

Putzfläche / Rillenputzfelder
Unter einer ockerfarbigen Überfassung zeigte sich an Abplatzungen die Originalfarbe in Grün-Blau. Lediglich der Rillenputz auf dem Erker wies im Original einen ockerfarbigen Anstrich auf.

Die Farbigkeit der Brüstungsfelder
Der Hintergrund des Feldes ist ein dunkles Rot, auf dem die Änderung und die Blätter in einem in Grau und Ocker gebrochenem Weiß stehen, die Blumen lasierend in Rot, die Höhungen in Bänder, Blumen und Blätter in Gold.

Giebel
Der Giebel als höchstes Bauelement in der Fassade war natürlich der Verwitterung am stärksten ausgesetzt. Daher war die ursprüngliche Farbigkeit nur mittels Kopflupe und Skalpell partiell feststellbar.

Masken (Fratzen)
Die Masken sind zum Teil stark zerstört. Die genaue Befunduntersuchung erfolgte durch den Steinmetz.
Nach eingehender Befundanalyse wurde die Fassade restauriert. Parallel dazu die Dacheindeckung und Verblechung erneuert, der Gartenraum in seine 450 Bestandteile zerlegt, feuerverzinkt und wieder zusammengebaut...

Liebe Leser, diese Sequenz ließe sich fortsetzen bis in eine Beschreibung der letzten goldenen Blüte, den letzten Haarriss.
Überzeugen Sie sich bei einem Spaziergang selbst.
Nehmen Sie sich ein Opernglas mit, so dass Sie die Grazilität und Beschwinglichkeit des gehauchten Blütenzaubers der Fassade geniessen können.

Quelle: Viertel 6

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