Der Tanz wird museal

Tanzmuseum, Köln

Zynischer Zufall: Der Bühnentanz im Köln stirbt aus, und im Mediapark eröffnet das Deutsche Tanzarchiv das europaweit erste Museum für den Tanz.

Köln. Der Kunstform Tanz wird ein Denkmal gesetzt, nun, da Choreograph Jochen Ulrich nach Hannover abwandert, die Kulturmetropole 1998 ohne städtisches Spitzenensemble dasteht und außerdem im August die respektablen „Tanzprojekte Köln“ nach James Saunders´ Tod aufgelöst werden. Die Provinzialisierung des Balletts entlang der Rheinschiene schreitet voran.

Statt sich um eine Nachfolgecompagnie zu bemühen, verweist die Stadt stolz auf die Konzentration des Tanzes im Media-Park (u. a. Gesellschaft für zeitgenössischen Tanz, NRW-Landesbüro für den Tanz, Mary Wigman-Gesellschaft, Tanzfilminstitut und Tanzarchiv mit Museum). Ohne privates und wirtschaftliches Engagement wäre aus der Präsentation der eindrucksvollen Sammlung des Tanzarchiv-Begründers Kurt Peters (1915 – 1996) freilich nichts geworden. Die Stiftung Kultur der Stadtsparkasse Köln erwarb die Sammlung 1985 und führte sie mit der Stadt fort. Im öffentlich zugänglichen Archiv befinden sich heute z. B. 80 000 Fotos und über 100 Nachlässe.

Rund 100 durchgetanzte Spitzenschuh-Paare weisen am Eingang den dornigen Weg durch die Tanzgeschichte seit dem 16. Jahrhundert. Die von Klaus-Jürgen Sembach intim gestalteten  Räume (30 qm Fläche) bergen eine Fülle von Exponaten: von szenischen Kufperstichen aus dem 16. und 18. Jahrhundert im ersten Kabinett über Nazi-Texte zur Tanzkunst bis zu Kostümen von Reinhild Hoffmanns „Könige und Königinnen“ im spielflächenartigen Raum. Hier wird bald Susanne Linkes Badewanne aus „im Bade wannen“ stehen.

Karikaturen veranschaulichen den Niedergang des Balletts zum Ende des 19. Jahrhunderts. Ein Bild der Pawlowa in inniger Pose mit einem Schwan zeugt vom Zeitgeist wie auch Nijinsky und die Karsawina als Meissner-Porzellan-Liebespaar – nach heutigem Empfinden ein ziemlicher Kitsch.

Ausführlich widmet sich die Schau dem Ausdruckstanz der 20er u. a. mit Vintage-Fotos von Isadora Duncan und ihren Schülerinnen oder der Diplomurkunde von Mary Wigman (noch: Wiegemann). Sinnvoll gegenübergestellt wurden die Entwicklungen nach dem Krieg des wieder aufblühenden klassisch akademischen Tanzes (Gsovsky, Walter, Cranko, Rosen) und des modernen Bereichs mit Kurt Jooss (z. B. Szenenfotos „Der grüne Tisch“) oder Dore Hoyer, deren Originalkostüm von „Judith“ (1952) zu sehen ist.

Historische Plakate kündigen die ersten Arbeiten der Nachwuchsgeneration an. Neumeier, Bausch, Kresnik, Bohner. Vom bahnbrechenden Beginn des Kölner Tanzformuns zeugen Originalkostüme der Neueinstudierung von Jooss-Werken (1971).

Die neuen Medien sind vertreten in Form einer „interaktiven Tanzschule“ des William Forsythe, ein Computer mit CD-Rom gewährt Einblick in den Nachlass von Ernst Oppler.

Quelle: Westdeutsche Zeitung

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