Das Wohlfühl-Viertel

Gärten hinter der Veste

Altbaufans aufgepasst: In den Gärten hinter der Veste, einem Stadtteil im Nürnberger Norden, reihen sich großbürgerliche Jahrhundertwende-Bauten wie Perlen auf einer Kette. Ein Haus schöner als das andere. Aber pst – nicht weitersagen...

Im Nachhinein kommt ihr die Anzeige fast ein bisschen lächerlich vor: » Suche Mietwohnung in Jahrhundertwende-Haus, etwa 80 m², möglichst in der Hastverstraße (Gärten hinter der Veste) oder ihrer näheren Umgebung.«

So oder so ähnlich habe sie die Annonce vor zwei Jahren formuliert, meint Saskia Werner – und lacht: » Nichts anderes wäre es gewesen, eine Nadel im Heuhaufen zu suchen, aber ich wollte unbedingt in die Gegend, weil ich mich zwischen den Jahrhundertwende-Bauten, Villen und breiten Straßen gleich wohl gefühlt habe «, sagt die 32-Jährige, die von München nach Nürnberg gezogen und letztlich in der Kobergerstraße gelandet ist.

Alles um die Ecke

So denken viele, die sich in Nürnberg ein Zuhause suchen, und das Warum liegt auf der Hand: In die Innenstadt sind es über die Burg nur wenige Minuten zu Fuß, zum Flughafen, zur Autobahn und zu großen Grünflächen ist es ein Katzensprung; zudem reihen sich hier wunderschöne Bauten wie Perlen auf einer Kette aneinander: Die Gärten hinter der Veste zeugen vom Großbürgertum um die Jahrhundertwende. Mehrstöckige Wohnhäuser, viele liebevoll restauriert, in freundlichem Gelb, Hellbau oder Rosa gestrichen, mit aufwändigen Verzierungen an der Fassade, Türmchen, kleinen Dachgiebeln, mit schmiedeeisernen Balkonen und Zäunen prägen die Atmosphäre. An der Pirckheimerstraße steht eine prachtvolle Villa neben der anderen, hie und da verstecken sich Kleinode wie ein Kutscherhaus oder Häuschen, so fantasievoll wie aus einem Film von Walt Disney. Die schönsten Straßenzüge findet der Besucher in der Gegend um die Pirckheimerstraße, die Kreling- und die Meuschelstraße; in nicht viel nach stehen die Schweppermann-, die Hastver-, Friedrich- und Kobergerstraße. Diese Ecken sind von den Bomben, die im zweiten Weltkrieg fielen, weitgehend verschont geblieben und deshalb ein guter Spiegel der Vergangenheit. Würde man sich beispielsweise die Hastverstraße in Schwarz-Weiß vorstellen und die parkenden Autos wegdenken – es wäre nicht verwunderlich, rumpelte im nächsten Moment die Postkutsche mit quietschenden Bremsen daher.

Natürlich haben auch hier die Bomben ihre Spuren hinterlassen, und so entdeckt man in vielen Straßen nach dem Krieg und in jüngster Zeit errichtete Häuser. Die Neulinge sind mal mehr, mal weniger gut in die Riege der Alten eingefügt, und wie überall stehen auch hier Wohnklötze, die man wie Bleistiftskizzen vom weißen Blatt einfach wegradieren möchte. Und wo wir schon beim Wegradieren sind: Könnte man es, dann müssten wohl auch die zig Autos dran glauben, die täglich die Bucher Straße, den Nordring, die Pirckheimer- und auch die Rollnerstraße – eine Verbindung ins Knoblauchsland – entlangdonnern. An diesen Straßen zu wohnen, ist kein Spaß: Mit den Autos kommen der Lärm und die schlechte Luft, regelmäßig rumpeln Straßenbahnen vorbei; kleine Kinder hier allein aus dem Haus zu lassen ist gefährlich.

Überraschend ist es daher, wie ruhig es bereits einen Häuserblock, eine Parallelstraße weiter ist. Die hohen Bauten schirmen vom Lärm ab, und dann ist in vielen Straßen ja auch Tempo 30 oberstes Gebot. Natürlich fahren auch hier Autos, kreisen müsste man eher sagen, denn viele Anwohner düsen innerhalb kürzester Zeit das dritte Mal die Straße entlang... » Ich finde keinen Parkplatz, ich komm zu spät zu dir mein Schatz « - Herbert Grönemeyer könnte sein Lied » Mambo « hier täglich singen.

Wandel in Maßen

Von einigen » Gärtnern «, die sich schon als Studenten in den 60er- und 70er-Jahren hier niedergelassen haben, hört man, dass der Stadtteil damals gebrummt und es Kneipen an jeder Ecke gegeben habe – aber das sei jetzt anders. Heute habe sich etwas Gediegenheit breit gemacht – wohl nicht zuletzt, weil ein Gebäude nach dem anderen saniert wird und das eher kaufkräftige Schichten anlockt, als arme, philosophierende Studenten.

In den nächsten Jahren wird sich das Bild der Gärten noch etwas verändern, wird saniert oder mehr Wohnraum geschaffen. Die Berger Objekt GmbH hat sich dem Aufpäppeln von Altbauten, vor allem von Jugendstilhäusern verschrieben und derzeit ein Sahnehäubchen in der Krelingstraße unter ihren Fittichen. Dann ist da das Projekt von Siebentritt & Donauer in der Grolandstraße: Auf 2 200 Quadratmetern entstehen derzeit 28 Eigentumswohnngen und drei Penthäuser. Weiter geht es Richtung Maxfeld, wo Terraplan vier Wohnhäuser baut, bei dem sich die Architekten von den Fassaden in Venedig inspirieren ließen. Ein umfangreicheres und längerfristiges Vorhaben ist das Ummodeln des 50 000 Quadratmeter großen Tucher-Geländes zwischen Frieden-, Löblein-, Rollner- und Schillerstraße; nach der Verlagerung der Brauerei in den Nürnberger Westen soll hier ein Wohnviertel mit etwa 900 Wohnungen entstehen. Ein weiteres Großprojekt ist der zehn Hektar große Nordbahnhof, auf dem südlich des Nordrings Geschosswohnungen und „Einrichtungen des Gemeinbedarfs“ wie Kindergärten und Schulen entstehen sollen; auch Gewerbe und Dienstleistung wird oder bleibt angesiedelt. Ein krasser Gegensatz zu der beschaulichen Jahrhundertwende-Atmosphäre? Eher nicht, denn um den Nordbahnhof herum verliert sich die ohnehin: das Gebiet westlich des Bahnhofs wirkt mit seinen zwei- und dreistöckigen Wohnhäusern wie eine Arbeitersiedlung; östlich des Bahnhofs findet man viele Einfamilien- und Reihenhäuser und ein Studentenwohnheim. Die Kleingärten hier sind eine der letzten grünen Oasen.

Ruck, zuck im Grünen

Viel ist nicht übrig von den großen, fantasievoll angelegten Gärten, die vor allem seit dem 17. Jahrhundert das Bild des Stadtteils prägten und ihm seinen Namen gaben: Es gibt noch die Grünflächen am Friedrich-Ebert-Platz und den Colleggarten an der Archivstraße mit seinem alten Baubestand, auch auf dem Kaulbachplatz atmet man dank der Bäume etwas Natur, und einige kleine grüne Flecken sind noch verstreut. Trotzdem wirkt der Stadtteil freundlich und „grün“: Etliche Straßen sind von Bäumen gesäumt, einige Häuser haben Vorgärten, und wer in die Hinterhöfe spitzt, reibt sich auch das ein oder andere Mal die Augen, so großzügig, so schön angelegt und bepflanzt sind sie. Und wen es wirklich ins Grüne zieht, der muss nur einen Sprung in den Wiesengrund, „raus“ zum Marienberg oder „vor“ zum Stadtpark machen, wo auch Kinder finden, was das Herz begehrt: Der Spielplatz im Park ist vor kurzem runderneuert worden. Buddeln und Balancieren, Klettern und Schaukeln ist angesagt. Der Spielplatz am Koberger Platz ist für viele schneller zu erreichen – und wohl deshalb oft etwas überlaufen.

Mag das Kind aber auch mal zwei Minuten anstehen, bevor es die Schaukel erklimmen darf; für Mütter ist der Platz ein idealer Treffpunkt. Wer erst in die Gärten gezogen ist, lernt hier wohl am ehesten neue Leute kennen. Jeden Freitag tut sich auf dem Platz noch etwas mehr – es ist Markttag: Obst, Gemüse, Wurst und mehr wird angeboten.

Beste Versorgung

Die Versorgungslage in den Gärten ist mehr als gut: Es gibt Metzger, Bäcker, Blumenläden, Gemüsehändler, Getränkeläden, kleine Supermärkte, Apotheken, Naturwarengeschäfte, Weinhändler und natürlich Kneipen und Restaurants; Ärzte – vom Haus- und Kinderarzt bis hin zum Orthopäden – widmen sich Beschwerden jeder Art. Der Friedrich-Ebert-Platz, so viel Verkehr auch brummt, hat sich zu einem kleinen Subzentrum entwickelt, in dem es ebenfalls vieles zu kaufen gibt.

Wer in die Innenstadt oder anderswo muss: Ins Zentrum kommt man immer noch am besten mit dem Radl oder zu Fuß, so spart man sich die nervtötende Parkplatzsuche. Nach anderswo bringen Busse und Straßenbahnen, das neueste Projekt ist die U-Bahn-Linie 3 vom Rathenauplatz bis zum Nordwestring mit den Bahnhöfen Maxfeld ist derzeit im Bau, der Bahnhof wird unter der Goethestraße, zwischen der Schlüsselfelder und Löbleinstraße, liegen, der Abschnitt bis zum Maxfeld wird voraussichtlich mit Frühjahr 2006 fertiggestellt. Der Bau ist nicht unumstritten, macht den Stadtteil aber für Zuzügler noch attraktiver. „Noch attraktiver?“, schmunzelt Saskia Werner. “Ich finde es so schon schön und praktisch, hier zu leben. Ich fühl mich wohl!“

Quelle: Das Wohlfühl-Viertel

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